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Synopsis / Zitate aus dem Film / Zur Geschichte des Protestes / Statement der Regisseurin

Auf den Barockaden zeigt das Wiener Beispiel kreativen, lustvollen Widerstandes seitens der Bevölkerung gegen die skrupellose Verbauung des grünen Barockparks Augarten. Wir erleben eine Geschichte, die exemplarisch für viele Proteste auf der ganzen Welt steht.

„Das ist kein Film für Untertanen!“ – Robert Menasse (Schriftsteller)

Synopsis

Im sonst so gemütlichen Wien tobt eine heftige Kontroverse: Der öffentliche, barocke Park Augarten soll mit einer privaten Konzerthalle für die Wiener Sängerknaben verbaut werden. Den Bürgerinnen und Bürgern reicht’s und sie wehren sich: Mit irritierendem Humor und barocken Gelagen wird auf skandalöse Vorgänge rund um Machenschaften zwischen Politik, Bauwirtschaft und Männerbünden aufmerksam gemacht, die sich skrupellos über die Bedürfnisse der BürgerInnen hinwegsetzen und demokratische Prozesse sowie Gesetze wenig elegant umschiffen.
Dieser Film ist eine Zeitreise auf die bizarre Bühne eines Wiener Grätzls, wo sich ungewöhnliche Figuren zwischen kreativem Aktionismus und dem knallharten Alltag eines Bürgerprotestes bewegen. Wir erleben eine Geschichte, die in der allgemeinen Aufbruchsstimmung des neuen Jahrtausends exemplarisch für viele Proteste auf der ganzen Welt steht.

 

Zitate aus dem Film

„Das Wichtige ist die Poesie. Wir wollen das Friedlich-Ruhige beibehalten, das so ein Ort hat. Es gibt in Österreich momentan mehrere solcher Fälle, wo Sponsoren mit einem Bündel wackeln, und alle Gesetze wackeln offenbar im Gleichzug.“
Raja Schwahn-Reichmann (Künstlerin und Aktivistin)

„Der Augartenspitz, für den wir hier heute stehen, ist ein besonders krasses Beispiel, wie man an Bürgern vorbei in ein denkmalgeschütztes Parkgebiet, in einen unverzichtbaren Erholungsraum, Bauwerke hinein setzt.“ – Monika Roesler (Aktivistin)
„Die Politiker müssen Stellung beziehen, das ist ihre moralische Pflicht!“
Tilda Swinton (Schauspielerin)

„Wir sind Teil des Ganzen, ein Mikrokosmos, der aber auch in der großen Welt ständig passiert. Weil die Bürger überall aufgewacht sind und sie müssen auch ernst genommen werden. Die Politiker können an dem nicht mehr so einfach vorbei. Die Welt wird sich ändern müssen und ohne der Natur haben wir uns unserer Lebensgrundlage beraubt. Die Natur muss von den Menschen beschützt werden. Und dafür muss jeder Mensch einstehen.“
Eva Hottenroth (Aktivistin)

Zur Geschichte des Protestes

Das Josefinische Erlustigungskomitee wird 2008 von lustig-listigen WienerInnen ins Leben gerufen, um barock-bacchantische Mahnwache über den Wiener Barockpark „Augarten“ zu halten. Gemeinsam mit anderen Bürgerinitiativen wie den Freunden des Augartens wird mittels kreativem Aktionismus auf die einzigartige Schönheit dieses Ortes hingewiesen, der nach jahrzehntelangem, unschuldigen Dasein massiv davon bedroht ist, durch den Bau einer Konzerthalle für die Sängerknaben zerstört zu werden. Nicht nur würde dadurch einer der letzten noch in seiner Gesamtheit existierenden, denkmalgeschützten Barockgärten in seiner Pracht beschnitten, auch hätte Wien ein Stückchen Naturerholungsgebiet mitten in der Stadt weniger. Mit Barockfesten, wöchentlichen Mahnwachen, Erlustigungsmärschen und Picknicks werden jede Menge Menschen angelockt. Sie erfahren dabei größtmögliche Zustimmung von BesucherInnen aus ganz Wien und sehr vielen TouristInnen aus aller Welt, die 15.000 Protest-Unterschriften abgeben. Nach einem kleinen Zwischensieg wird das barocke Pförtnerhäuschen doch nicht abgerissen, sondern nur umbaut – so hat es das Bundesdenkmalamt entschieden. Doch die BürgerInnen wollen das gesamte Projekt kippen. Viele Kämpfe später, einige Besetzungen später, diverse Einsätze durch Privatsecurities, die die AktivistInnen mit Gewalt aus dem Gelände befördern, brutale Polizeieinsätze und Baumfällungen später, haben die Behörden gesiegt, der Konzertsaal wird gebaut und schließlich 2012 eröffnet.

Statement der Regisseurin

Nach langem Warten kommt Auf den Barockaden ins Kino! Dieses Langzeit-Dokumentarfilm-Projekt, das bereits 2008 damit startete, einen Wiener Bürgerprotest filmisch zu begleiten, ist ein Zeitdokument, das nicht nur von Menschen hierorts, sondern überall auf der Welt diskutiert werden und als Anregung für neue, kreative Formen des Widerstandes verstanden werden soll.

Die Idee zu diesem Film entstand einerseits aus meinem Interesse an (gesellschafts-) politischen Prozessen in meiner nächsten Umgebung, andererseits an einer außergewöhnlichen Figur des Wiener Lebens, Raja Schwahn-Reichmann, die sich als ausgebildete Restauratorin ganz ihrer Liebe zur Malerei, zu Festen und zur Rettung erhaltenswerter Kultur- und Natursubstanz hingibt.
Diese Koinzidenz, dass in unserer beider Nähe ein barocker Park und ein josefinisches Gebäude vom Abriss bedroht war, verlangte rasches Handeln: erstmals 2008 beobachtete ich die AktivistInnen mit meiner Kamera, war von da an oft zur Stelle und konnte so den gesamten Prozess der Geschichte von innen her portraitieren.
Schon vor diesem Protest interessierte ich mich immer für Formen kreativen Widerstands, müde von den vielen immer gleich gestalteten Demos, deren meist harte und negativ formulierte Ästhetik mir in ihrer Strategie falsch erschien. Diese Herangehensweise mit viel Humor, Ironie und Schönheit fand ich spannend und faszinierend.

Dieser Prozess war komplex und dauerte sehr lange. Einen Film daraus zu machen, stellte sich als ebenso schwierige, aber auch langwierige Aufgabe heraus. Seit den Anfängen der Dreharbeiten hat sich weltweit viel getan: Von kleinen BürgerInnen-Initiativen über „Occupy“ bis hin zur ägyptischen Revolution etc. gibt es unzählige Versuche seitens der Bürgerinnen und Bürger, ihr kreatives Potential zu entwickeln und sich mit persönlichem Engagement gegen verschiedenste Missstände zu wehren.

Doris Kittler